Vor 120 Jahren Grundsteinlegung von „Maria Hilf“
- 20. März 2023
Vor 120 Jahren Grundsteinlegung von „Maria Hilf“ – Ein Ort für kranke und alte Menschen im Sinne eines caritativen Menschenbildes wurde geschaffen.
UNTERMARCHTAL (hi) Wer das Dorf an der Donau besucht, dem fällt gleich die imposante Kulisse des Klosters Untermarchtal zusammen mit dem großen Bauwerk „Maria Hilf“ ins Auge.
Dort wird seit der Grundsteinlegung vor 120 Jahren am 21. März 1903 und der anschließenden mehrjährigen Bauzeit (Bauzeitende des gesamten Bauwerks mit 150 Meter Länge ist im Jahre 1916 auch deswegen, weil der I. Weltkrieg im Gange war!) der Zweck für die caritativ-barmherzige Ausrichtung des Dienstes der Ordensschwestern dafür gelebt und gearbeitet. Dieser insgesamt 150 Meter lange Bau mit 4 Querbauten und mit 4 Stockwerken ausgestattet und teilweise mit 2 in den Felsen geschlagenen Kellergeschossen als UG, war für seinerzeitige Bauvorstellungen vom damaligen Oberamtsbaumeister Josef Buck aus Ehingen entworfen und ausgeführt worden.
Das Bauwerk sollte einen dreifachen Zweck erfüllen und dazu sei der „Originaltext“ jener Tage aufgeführt: Einmal sollte es den alten und kranken Schwestern ein Heim und Asyl bieten: „Maria Hilf“, mit demselben eine Anstalt zum „Guten Hirten“ für gefährdete, gestrauchelte und damit zu schützende Mädchen, und ferner ein Heim für alte und gebrechliche Personen, besonders Pensionäre und Personen aus der Mitte der Gesellschaft mit Bedürfnissen der Krankenpflege. Das berühmte Gnadenbild „Maria Hilf“ im Original von Lukas Cranach dem Älteren, hier in einer Kopie aus dessen „Insbrucker Schule“ von 1904, von K. Baumeister, beigefügt.
Ganzer Vinzenzgeist soll durch die Räume des neuen Gebäudes wehen und gemeint ist damit Platz für das ganze Spektrum des caritativen Kranken- und Pflegedienstes auch im Zusammenspiel des Schwesternordens vom Hl. Vinzenz von Paul. Das schließt mit ein, die Gebete des Ordens und ein Plätzchen zum Sterben ein. Im Bezug zum Gebet sagte Nobelpreisträgerin Schwester Teresa bei ihrem Besuch 1982 anlässlich des Jugendtag in Untermarchtal folgende Worte: „Ich spüre es, hier ist das Schatzhaus, hier ist das Kraftwerk der Kongregation“! Welche Mahnung und Ahnung.
Alles in allem ein manifestiertes Gesamtbild von caritativem, menschlichem, helfendem, würdevollem und sozialengagiertem Dienst am Nächsten und der Gesellschaft. Zur damaligen Zeit um 1900 hatten die Kirchenlehre und den politischen Organen diese gesellschaftlichen Aufgaben zwar erkannt, waren aber noch in der Anfangs- und Entwicklungsphase.
So waren die Ziele mit dieser Einrichtung und dem Bauwerk „Maria Hilf“ und dem „Guten Hirten“ von den Vinzenz Schwestern in Untermarchtal ein Meilenstein mit sozialem Weitblick.
Das erste und schlichte Altersheim nach dem Umzug des Mutterhauses von Schwäbisch Gmünd nach Untermarchtal 1891 war das „Amtshaus“, ein Anbau des Schlosses, das mit der Aufnahme der alten und kranken Schwestern in St. Barbara umbenannt wurde.
Planung und Bau
Schon seit dem Wechsel des Schwesternordens der Vinzentinerinnen von Schwäbisch Gmünd mit der Ordensleitung nach Untermarchtal im Jahre 1891 war mit dem Kauf des Schloss Untermarchtal, das die Freiherren von Speth im Jahre 1573 erbauten ein Anfang gesetzt. Mit dem Erwerb im Jahre 1887 von Franz-Josef Linder, dem Vater der seinerzeitigen Ordensschwester Margarita Linder eigentlich für seinen Alterssitz kaufte es aber seiner Tochter Josefine, sogleich ihr Schwesternname „Margarita“ Linder, welche ab 1893 Generaloberin des Ordens wurde, vermachte. Der Plan eines zum Orden passenden und würdigen Asyl für die kranken, alten und pflegebedürftigen Schwestern wurde mit diesem Kauf gleich fest in Erwägung gezogen und damit besiegelt. Auch der Kauf, Pachtung oder Tausch des restlichen Schlosses gut-Anwesen mit der Ökonomie und weiterer im Ort angebotenen landwirtschaftlichen Anwesen wurde alsbald um 45 000 Mark. in Betracht gezogen und schrittweise umgesetzt. Hierbei ging es um die Versorgung mit Lebensmittel, Gütern und Wohnungen für den schnell wachsenden Dienstpersonal mit Schwesternkandidatinnen, Novizen und Profess Schwestern Dieser Personalstand bestand um die Jahrhundertwende 1900 insgesamt schon bei über 1000 Personen.
Angesagt war somit die Bauplanung mit Bauplatzbeschaffung für ein großes Grundstück in Untermarchtal für den Bau von „Maria Hilf“ und „Guter Hirte“. Der Kauf des „Strahl`schen Gutes über der Donau“, so in der Klosterchronik verzeichnet, bot sich perfekt wegen der Auflösung aus familiären Gründen in der Familie Strahl an. Im Jahr 1898 war dieses „Strahl“sche Anwesen rund 16 ha groß. Ob dies wohl sich um das ganze Gelände handelt auf dem dann „Maria Hilf“ gebaut wurde ist nicht angegeben. Jedenfalls wurde die Fläche dort 1898 bis zum Baubeginn 1903 vom Klostergut St. Veit bewirtschaftet. Superior Josef Eisenbarth pachtete ab 1889 das landwirtschaftliche Anwesen vom Veitenbauer Anton Unmuth und erwarb dieses käuflich um 45 000 Mark und überlässt es dann der Kongregation zur Bewirtschaftung. Veitenbauer Unmuth verließ Untermarchtal und verzog in den Kreis Ravensburg. Somit ist schon ein Teil des von der Kongregation angestrebte Ziel der Selbstversorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen erreicht. Ein genialer Tausch mit baldigem Kauf wurde mit dem bisherigen Schulhaus (St. Anna) an der damaligen Straße nach Obermarchtal, wo heute etwa der Eingang zum Bildungsforum St. Ignaz ist, mit dem Wohnhaus, Scheuer und Waschhaus Nr.67, wo heute das alte Rathaus (Bergstraße 2) mit 2 Wohnungen im OG steht, vollzogen. In jenem Jahr 1898 wurde dann dort das neue Schul- und Rathaus, damals die „Zierde des Ortes“ mit Ziergiebel, gebaut und ebenfalls in jenem Jahr 1898 wurde die neue Donaubrücke aus Stahl gebaut und übergeben.
Dies waren spannende und den Ort sehr zur Veränderung angehenden Jahre mit dem Kloster und dessen Kongregation zusammen.
Der Klosterort Untermarchtal blühte auf und die Bauplanungen liefen im Jahr 1902 recht flott an. Es heißt in der Klosterchronik: „Auf dem Hügel, der stattliche Äcker und Wiesen trägt und dessen Hänge schön bewaldet sind, damals Gewann -Breite-, soll sich kommenden Frühjahr ein Kranken- und Erholungsheim für Schwestern erheben“ – also „Maria Hilf“. Die Planungen geleitet von Oberamtsbaumeister Josef Buck, Ehingen mit Generaloberin Schwester Margarita Linder, weiteren Generalrätinnen, ein Baurat aus Stuttgart mit Oberregierungsrat Falch, Superior Meinrad Hitzel und Schultheiß Albert Großmann trafen sich im Januar 1903 zur Vermessung des Baugeländes und ebenfalls in diesem Monat wurden die Bauarbeiten an 3 Baufirmen für „Maria Hilf“ vergeben. Diese waren Bauunternehmer Max Buck, Ehingen, Speidel aus Schwendi und Ruoß aus Gossenzugen. Am 5. Februar 1903 wurde mit den genannten Personen und Firmen der 1. Spatenstich getätigt.
Außerdem war jetzt die Gemeinde mit dem Bau eines Wasserleitungsnetzes im ganzen Ort gefordert. Diese Bauausschreibung für den Bau des Wasserversorgungsnetz erfolgte im September 1903. Jetzt war auch die Wasserversorgung für den Neubau „Maria Hilf“, eine Grundvoraussetzung zur Baugenehmigung vom Oberamtsbaumeister Buck dann fast wie ein Wunder im Nachhinein betrachtet folgende im „Donauboten“ zu lesen: Am 16. Januar 1904 meldet das Blatt: „Zum Weihnachtsfests 1903 freute sich die ganze Gemeinde Untermarchtal für ein besonderes „Christkindle“ – jedes Haus, auch die Baustelle „Maria Hilf“ war am Wasserleitungsnetz angeschlossen und das bei einer Bauzeit von 2 ½ Monaten ohne Baggereinsatz nur in Handarbeit. Drei Quellen in der Nähe des Soldatenfriedhofs und dem Gewann „Riedle“, versorgten das Netz. Anm.: Ein Rest des dortigen kleinen Wasserreservoirs ist noch dort erhalten. Zu diesen Quellfassungen kam einige Jahre später noch eine Grundwasser-Entnahme in 5 Meter Tiefe bei der heutigen Klostergärtnerei hinzu. Noch bemerkenswert: Der oben erwähnte Baurat aus Stuttgart plante für den Transport der Baustoffe eine Drahtseilbahn nach „Maria Hilf“. Doch wurde dieses Vorhaben wegen großer Schwierigkeiten nicht in Angriff genommen. Man beschließt dann einhellig, dass alles Material mit Fuhrwerken durch die Herrengasse, wo das Pfarrhaus steht, zum Bauplatz befördert werden muss. Dabei wurde 1 Jahr Bauverzögerung in Kauf genommen. Ortspfarrer Leonhard Strahl beklagte sich in der Pfarrchronik über die Fuhrknechte des Baumaterials. „Diese fluchten mit ihren Zugpferden die sechsspännig am steilen Weg beim Pfarrhaus die Lasten zogen, sodass man nicht mehr hinhören kann“.
Ein wichtiger Tag. Um 8 Uhr trafen sich die Schwestern und Gäste in St. Ignaz zum Amt. Danach ordnete sich die Prozession. Voraus das Kreuz, dann ca, 50 Zöglinge mit der Muttergottesfahne, die Jungfrauen, die Hochw. Geistlichkeit H.H. Superior Meinrad Hitzel im Rauchmantel von Ochsenhausen, H.H. Beichtvater Pfr. Dirlewanger, H.H. Ortspfarrer Leonhard Strahl, H. Oberamtsbauneister Josef Buck, die Bauunternehmer, H. Schultheiß Albert Großmann und Gemeinderäte usw. welche eingeladen sind. Wohlerw. Frau Mutter (Generaloberin) Margareta, die Schwestern, Herr Lehrer Karl Nägele mit seinen Schulkindern, das Dienstpersonal von St. Veit und Personen vom Ort bilden den Schluß.
H.H. Superior fing gleich an den Rosenkranz zu beten. Bis zum Bauplatz „Maria Hilf“ wurden es 4 Gesetze. Dort gruppierten sich alles um den geschmückten Grundstein. Anm.: Der Platz ist dort wahrscheinlich jener am östlichen Ende im Boden der heutigen Krypta im UG, siehe Foto. Darüber sind heute helle Marmorfliesen gelegt. Die 50 italienischen Arbeiter standen in Reih und Glied wie Soldaten mit der Schaufel in der Hand.
H.H. Superior Meinrad Hitzel hielt nun eine Ansprache mit dem Psalmwort beginnend: „Wenn der Herr das Haus nicht baut, bauen die Bauleute umsonst“! Diese Worte machten sichtlich Eindruck wie der Redner selbst vor dem Ernst und der Feierlichkeit der Stunde an diesem Frühlingsmorgen ergriffen war. Er sagte, dass die Kapelle die über dem Grundstein gebaut werde, der lb. Mutter Gottes zu Ehren „Marai Hilf“ genannt werde, der Bau dem Schutz des hl. Erzengel Michael gestellt werde, damit alles Böse abgehalten sei. Es folgten die Weihegebete, die Segnung des Grundsteines, dann wurden die Reliquien in einer gut verschlossenen und geschmückten Kapsel, welche Wohlerw. Frau Mutter getragen hatte, in Stein gelegt und der Deckel darauf sofort festzementiert. Dazwischen sang der Schwesternchor passende Lieder, H.H. Superior betete die Allerheiligenlitaneivor und verlas den Urkundentext, deren Original sowie ein Verzeichnis mit Namen sämtlicher Schwestern, Exemplare der jetzt gangbaren Münzen usw. wurden auch in den Grundstein eingeschlossen.
Die Urkunde lautet:
„Im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, im Jahre des Herrn 1903, den 21. März, wurde hier der Grundstein zu dieser Kapelle gelegt, unter dem Pontifikat Papst Leo Xiii, unter der Regierung des Deutschen Kaiser Wilhelm II., des Königs Wilhelm II. von Württemberg, des Bischofs Paul Wilhelm von Keppler von Rottenburg, Superior Meinrad Hitzel, Beichtvater Eugen Rehm dieser Kongregation, der H.H. Ortspfarrer Leonhard Strahl, Generaloberin Margarita Linder, ihre beiden Assistenzschwestern Vincenta Haas und Amalie Staudenmaier, Pensionär H.H. Pfr. Dirlewanger, Oberamtsbaumeister Buch, Ehingen, Schultheiß Albert Goßmann, die Bauunternehmer Buck, Speidel und Ruoß usw.
Benediktion (Einsegnung) des heute noch stehenden „Bildstöckle“ bei „Maria Hilf“ und Parkplatz „Garten Eden“.
Nach der oben genannten Akte bewegte sich die Prozession zum reichgeschmückten Bildstöckle, dem wirklich kostbaren Kleinod beim großen Bau. „Maria Hilf“. Es erfolgte die Benediktion desselben. Die Weihe endete mit dem Versprechen dort: „Tag und Nacht wird das Licht vor dem Bilde „Maria Hilf – Gottesmutter Maria mit dem Jesuskind- (s. Foto Nr. 2103)) hinter Glas, eine Kopie von Lukas Cranach dem Älteren- nicht erlöschen und Maria hier ihre Verehrung empfangen bis die Kapelle vollendet und ihr geweiht ist“. Weiter heißt es in der Maria-Hilf Chronik: Von jetzt an bewegte sich jeden Abend eine Prozession von St. Ignaz betend und singend zum Bildstöckle bis sich das Dach über dem Bau wölbte. Dieses Bildstöckle ist auch nach 120 Jahren ein Ort zum Innehalten und der Verehrung Marien`s mit dem Jesuskind.
Zahlen des Klosters vom Jahr 1903: Die Kongregation der barmh. Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul zählte damals 801 Profess Schwestern und 112 Noviz Schwestern. Heute im Jahr 2023 sind es 214 deutsche, 254 tansanische und 12 äthiopische Schwestern!
Ein glücklicher und feierlicher Tag geht zu Ende.
Der H.H. Redner wünschte noch den Frieden, den Bauherren und Arbeitern. Zwischen hinein wurde wieder gesungen, worauf sich die Prozession abermals entfaltete und der liebe göttliche Heiland „Seine Zeit in Besitz nahm“. Mit Betstunden ab ½ 11 Uhr und der Segensandacht um ½ 5 Uhr Schloss der glückliche und feierliche Tag.
In der Klosterchronik kann man im September 1903 folgendes nachlesen. Rüstig ging dann die Arbeit am Bauwerk vorwärts und bald erhob sich die Front des Gebäudes in seiner ganzen Länge dem Betrachter. -Siehe Fotos schon von etwa 1920 und jetzt im Jahr 2023 vom Gesamtgebäude „Maria Hilf“ und teilweise vom Gebäude „Guter Hirte“ als Abschluss (Westflügel). Weiter heißt es: Ende September 1903 wurde schon die „Lichtanlage“ also dem Einbau der elektrischen Leitungen etc. begonnen ebenso wie schon erwähnt im Dezember 1903 die Wasserleitungen. Anfangs Dezember 1903 wurde der Entwurf des Altarbauer Schnell aus Ravensburg vorgestellt. Zur Zeit kann die Kapelle „Maria Hilf“ wegen einer anstehenden Baumaßnahme nicht besucht werden! Als Ersatz ist der „Betraum“ im 4. OG St. Barbara eingerichtet!
Verfasser: Hermann Josef Illenberger, Untermarchtal
Zu gegebener Zeit folgt der Fortsetzungsbericht über den Bau von „Maria Hilf“ und „Guter Hirte“—So die Vereinbarung mit der Klosterverwaltung. Redaktionelles Textende, Quellen-Angabe des Textes/Fotos: Buch „100 Jahre Diözese Rottenburg 1928“, Herausgeber: Geistlicher Freund der Kongregation und Druck: C.L. Feger Ehingen/Donau.
Buch des Klosters Untermarchtal: Titel: Der kürzeste Weg zu Gott führt über den Nächsten, und Broschüre des Klosters Untermarchtal „150 Jahre Barmherzige Schwestern in Württemberg vom Jahr 2008“. Bausteine zur Geschichte 2, Herausgeber und Redaktion LA des ADK, ISBN 3-9808725-2-1
Privatarchiv/Fotos Hermann Josef Illenberger, Untermarchtal. Klosterarchiv Untermarchtal (Schwester Generalrätin M. Karin Weber)